Nikolaus Michael Oppel (1782 – 1820) – Wiederentdeckung eines genialen Reptilienmalers und Herpetologen

Nikolaus Michael Oppel (1782 – 1820) – Wiederentdeckung eines genialen Reptilienmalers und Herpetologen

Von Josef F. Schmidtler, München

Zusammenfassung

Nikolaus Michael Oppel wurde am 17.12.1782 in Schönficht, im heutigen bayerischen Regierungsbezirk Oberpfalz, als Sohn eines Landwirts geboren. Er verstarb am 16.2.1820 in München infolge einer Vergiftung, die er sich durch das Einatmen von Gasen bei der Ausübung einer Kupferstichtechnik („Radierung“) zugezogen hatte. Frühe Förderer ermöglichten den Besuch von Gymnasium und Lyzeum in Amberg. Hier begann sich Oppel bereits in der Zeichenkunst selbst auszubilden und studierte dann Philosophie, Naturwissenschaften, sowie Theologie. Seine außergewöhnliche Begabung ermöglichte ihm dann ein königliches Stipendium zur weiteren Ausbildung am Naturkundemuseum in Paris (1807 – 1809), das damals weltweit als Zentrum der Naturwissenschaften anerkannt war. Die dortige Tätigkeit als Zeichner und Zoologe brachte ihm die hohe, auch vielfach dokumentierte Anerkennung, seitens der damaligen naturwissenschaftlichen Größen, wie Cuvier, Duméril, Humboldt, Lacepède, Lamarck und Latreille ein (Adler 2007, Lescure & David 2008). In Paris schuf er die wesentlichen Grundlagen für sein weiteres zeichnerisches und herpetologisches Werk. Letzteres mündete dann in sein in München veröffentlichtes Buch über „Die Ordnungen, Familien und Gattungen der Reptilien als Prodrom einer Naturgeschichte“ (1811e), das heute noch als Meilenstein in der Geschichte der Herpetologie anerkannt ist. Aus dieser Zeit sind auch Gedichte überliefert, von denen eines („Naturbild“) Oppels Einstellung zur Natur und zu widerstreitenden Theorien in den Naturwissenschaften, etwa seine Gegnerschaft zur „Naturphilosophie“, wiedergibt.
Sein anschließendes Wirken an der Bayerischen Akademie der Wissenschaften in München war zunächst durch die Rivalität mit seinem Vorgesetzten, Johann Baptist [Ritter von] Spix (1781 – 1826) gekennzeichnet. Ein Werk über die europäischen Vipern blieb daher unveröffentlicht. Ebenso blieb weithin unbeachtet, dass er sich, insbesondere in seiner Pariser Zeit, einen Grundstock von mehreren hundert Aquarellen und Zeichnungen mit Amphibien und Reptilien aus aller Welt zugelegt hatte, die nach und nach im Rahmen einer umfassenden Naturgeschichte publiziert werden sollten. Das geschah aber nur im ersten (und einzigen) Heft über die Krokodile, das mit hohem wissenschaftlichen und künstlerischen Anspruch zusammen mit Tiedemann und Liboschitz veröffentlicht wurde (1817). Die Aquarellsammlung mit 392 Blättern wurde erst von Leydig (1872) wiederentdeckt, blieb aber seither unbearbeitet. Sie befindet sich jetzt im Besitz der Bayerischen Staatsbibliothek München als wesentlicher Bestandteil von Oppels wissenschaftlicher und künstlerischer Hinterlassenschaft („Oppeliana“; mit sechs handgeschriebenen Geheften und der Aquarell-Sammlung). Eine repräsentative, systematische und künstlerische Auswahl von 12 Aquarellen wird hier erstmals veröffentlicht. Der Umfang der Aquarell-Sammlung ist für damals – und wohl auch für heute – einmalig. Diese Einmaligkeit gilt, jedenfalls für den Anfang des 19. Jahrhunderts, auch für die fast fotografische Genauigkeit und Qualität der abgebildeten Details. Da die Aquarelle weitgehend in Paris hergestellt wurden, ergab es sich jetzt überraschend, dass die Darstellungen anscheinend eine erhebliche Zahl damals noch nicht beschriebener Arten oder nicht abgebildeter Typen aus den herpetologischen Enzyklopädien von Sonnini & Latreille (1801) und Daudin (1802 – 1803) erfassen. Die Abbildungen haben also auch eine außergewöhnliche systematische und historische Relevanz. Auf diese Relevanz wird im Sinne eines beispielhaften Überblicks in den Legenden zu den Abbildungen 5-18 eingegangen.

Summary

Nikolaus Michael Oppel (17.12.1782 – 6.2.1820) – Rediscovery of an exceptionally gifted reptile painter and herpetologue: Oppel was born in Schönficht in the present Bavarian district of Oberpfalz (Upper Palatinate) as the son of a farmer. His death in Munich was caused by his exposure to toxic chemicals while preparing his etchings for publications. Early patrons enabled him to attend the „Gymnasium“ and „Lyceum“ in Amberg. Here Oppel began to instruct himself in the art of drawing and studied philosophy, natural sciences and theology. His extraordinary talent facilitated a royal stipend for further education at the Museum of Natural History in Paris (1807 – 1809), then the world centre of Natural Sciences. His activities there as an artist and zoologist earned the grand appreciation of Cuvier, Duméril, Humboldt, Lacepède, Lamarck and Latreille, documented in many cases (fig.1; Adler 2007, Lescure & David 2008). In Paris he developed the essential basis of his further artistic and herpetological creations. The latter developed into his book, published in Munich, „Die Ordnungen, Familien und Gattungen der Reptilien als Prodrom einer Naturgeschichte“ (1811e); it is recognized as one of the cornerstones in the history of herpetology. From this period some of his poems have also survived. One of them („Naturbild“) reflects Oppel’s approach to nature and the then conflicting theories in natural science (especially contrary to the socalled „natural philosophy“).
Oppel’s later activities in the Bavarian Academy of Sciences in Munich were initially influenced by the rivalry with his chief Johann Baptist von Spix (1781 – 1826) . A book on the European vipers therefore remained unpublished. It also remained almost unknown, that Oppel had created a set of several hundred water colours and drawings of reptiles and amphibians from all over the world that he wanted to publish within the scope of an encyclopedic natural history. This idea however was archieved within the first (and only) part about crocodiles, which he published together with Tiedemann and Liboschitz to a high artistic and scientific standard (1817). The collection of 392 water colours was rediscovered by Leydig (1872) but has been forgotten since then. They are now held in the possession of the Bayerische Staatsbibliothek München as the main part of Oppel’s artistic and scientific legacy („Oppeliana“; six handwritten notebooks and the collection of water colours). A representative artistic and scientific assortment of 12 water colours is for the first time published here. The quantity of this herpetological water colour collection was unique then – and probably now. The same is held true, in any case at the beginning of the 19th century, for the almost photographic accuracy and quality of the depicted details. Since most of the water colours were created in the Paris Museum, surprisingly many species were not yet described then and appear to be based upon types that were published without figures in the encyclopedias of Sonnini & Latreille (1801) and Daudin (1802-1803). Thus, the water colours displayed here represent an unexpectedly broad systematical and historical complexity as explained in the legends of the 12 water colours selected for this overview article.